Vjollca lebt mit ihrem Mann in Heven, sie sind vor vier Jahren mit zwei Söhnen aus Albanien nach Deutschland gekommen. Am Anfang war es schwierig anzukommen, erzählt sie. Vjollca und ihr Mann mussten aus Albanien weg, sie brauchten einen Neustart. Das Haus, in das sie bei ihrer Ankunft in Witten einzogen, war in einem schlechten Zustand – chaotisch und unordentlich. Sie kannten niemanden und manchmal hat Vjollca sich einsam gefühlt. Dann haben sie und ihr Mann das geändert: Aufgeräumt, den Garten hergerichtet und sich ein Zuhause geschaffen. Inzwischen sind sie und ihr Mann für das Gebäude, in dem mehrere Familien leben zuständig, sie kümmern sich um die Instandhaltung, die Familien, Vjollca und ihr Mann haben Schlüssel zu allen Wohnungen, sie sind für alle Bewohner*innen ansprechbar, haben sich selbst zu Hausmeister*innen und unverzichtbar gemacht. Für ihren Mann wurde daraus eine Anstellung. Auch Vjollca hat einen Minijob, sie putzt in einer Schule. Manche der anderen Familien im Haus, sagt Vjollca, sind irgendwie auch Familie. Schon im engeren Sinne hat Vjollca hat eine sehr große Familie, sie hat sieben Geschwister, ihr Mann hat acht.
Dann hat Vjollca auch nouranour gefunden, sie ist von Anfang an mit dabei. Durch nouranour hat Vjollca Kordula kennengelernt, sie ist wie eine Schwester für mich, sagt sie. Alle Frauen bei nouranour sind Familie. Vjollca erweckt sofort Vertrauen, man fühlt sich einfach wohl mit ihr. Sie hat eine angenehme Wärme in ihrer Art und eine besondere Tiefe. Sie lacht gleichzeitig viel und man kommt leicht mit ihr ins Gespräch, sie ist zugänglich und offen. Vjollca erschafft auf beeindruckende Weise Familie, um sich herum. Sie ist der Ursprung dieser verschiedenen Familien, sie gibt anderen Halt und findet auch Halt in anderen. In Witten gibt es viele gute Menschen, sagt sie. Die Menschen hier sind offen und hilfsbereit. Ihr sind immer Menschen begegnet, die sie unterstützt haben, auf der anderen Seite unterstützt sie, die die sie um Hilfe bitten. Wenn alle in unserer Gesellschaft bereit dazu wären so zu helfen und so um Hilfe zu bitten, dann wäre vieles besser. Vielleicht müssten wir dazu unsere Mitmenschen mehr als Familie begreifen, wie Vjollca es tut.
Anpassung war wichtig für uns, erzählt sie. Wir waren neu und haben versucht alles zu verstehen, die Sprache, die Kultur. Vjollca spricht sehr gut Deutsch. Manche Dinge sind hier wichtiger, stellt sie fest, Regeln und Formalitäten zum Beispiel, manchmal auch welche, die wenig Sinn ergeben, daran muss man sich gewöhnen, das muss man erst mal verstehen. Mit ihrer Familie habe sie in Witten ein neues Leben gefunden, vor allem ihren Söhnen wollte sie die besten Chancen ermöglichen. Als Mutter macht man sich immer auch Sorgen, ob alles richtig ist. Ihre Söhne haben ihren Weg aber gemacht Schule, Ausbildung, Einstieg ins Berufsleben. Wenn Vjollca über sie spricht strahlen ihre Augen voller Stolz und Glück.
Vor einigen Monaten wäre Vjollca mit ihrem Mann fast aus Deutschland abgeschoben worden, weil es einen Wechsel der Zuständigkeiten beim Sozialamt und dadurch einen Fehler gab. Man teilte ihnen mit, ihre Söhne, die inzwischen Ausbildung und Arbeit haben, dürften bleiben, aber sie müssten gehen. Für Vjollca und ihren Mann brach der Boden unter den Füßen weg. Deutschland ist längst ihr Zuhause, sie haben ihre Söhne hier großgezogen, ein stabiles Umfeld. Wie konnte das sein? Es konnte gar nicht sein, es war ein Fehler. Es ist unvorstellbar, dass ein Amt diese Entscheidungsgewalt über das eigene Leben hat. Für viele in Deutschland ist das Realität und nicht selten passieren dabei auch Fehler. Wie in diesem Fall. Selbst in dieser Situation findet Vjollca Halt: Meine Verbindung zu den Frauen von nouranour hat das noch gestärkt, sagt sie. Alle haben mich unterstützt, mir geholfen und als klar war, dass wir bleiben gab es ein großes Fest.
Das Leben hat Höhen und Tiefen, manchmal sehr tiefe Tiefen, sagt sie, das sei aber kein Grund auf die Höhen zu verzichten. nouranour ist mehr als nur ein Nähprojekt, es ist eine Chance für verschiedene Frauen Anbindung und Rückhalt zu finden, man ist füreinander da, berichtet Vjollca, lacht zusammen, weint zusammen und näht zusammen.
Danke für dein Engagement und deinen Lebensmut!
Foto: Melannie Alexandra Hoessel
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