Die Arbeit wird nicht weniger und in den Camps begegnen uns immer wieder ähnliche Zustände. Allein an unserem fünften Tag in der Türkei haben wir mehr als 1400 Liter Öl ausgegeben.
Wo soll man anfangen zu erzählen? Dadurch, dass wir jeden Tag neue Camps ansteuern, sammeln wir hier fast ununterbrochen neue Eindrücke. Die Zustände in den Lagern sind meist ähnlich: Dutzende Familien leben auf dem Gelände eines Großbauern, darunter viele Kinder. Sofern möglich, arbeiten alle Familienmitglieder auf dem Feld mit. Uns kamen Jugendliche entgegen, die noch keine 14 Jahre alt sind.
Neben der ärztlichen Betreuung und der Unterhaltung für die Kinder organisieren wir in jedem Camp, das wir ansteuern, noch eine Ausgabe. Über unseren Kontaktmann wissen wir recht genau, wie viele Menschen in dem jeweiligen Camp leben. Die Refugees Foundation kauft dann im Supermarkt eine 5 Liter Flasche Sonnenblumenöl für jede Familie. Am Montag waren es allein für ein Camp 90 Flaschen, wobei Familien ab 8 Personen zwei Flaschen bekommen. In dieses Camp wollten wir bereits früher. Wegen der Regenfälle war es uns allerdings unmöglich, dort hinzufahren – eine befestigte Straße gibt es nicht.
Das Öl ist sinnvoll, weil es zu den schwersten Gütern gehört. In dieser Menge kommt eine Familie etwa 4 Wochen damit aus. Genutzt wird das Öl fast täglich. Bei einem Preis von 25 Lira pro 5-Liter-Flasche, umgerechnet etwa 5,50€, ist es in der Menge für die Refugees Foundation finanzierbar und jede Familie kann versorgt werden. Für sie ist es zudem eine doppelte finanzielle Entlastung. Für eine solche Vorratsflasche müsste ein Arbeiter fast eine Woche lang arbeiten – der Tageslohn auf dem Feld liegt oft nur bei zwei Euro. Nur wer einen guten Bauern hat, erhält mehr. Jeden Tag Arbeit gibt es jedoch nicht. Hinzu kommt, dass die Vorratsflasche natürlich günstiger ist, als fünf 1-Liter-Flaschen. Für die Kinder gibt es schließlich noch einen Schokoriegel.
Unterstützung vom türkischen Staat erhalten die Menschen nach unseren Informationen lediglich in Form einer Aufenthaltserlaubnis. Die Kinder dürfen theoretisch die Schule besuchen, müssen dafür aber die Sprache und die Schrift beherrschen. Allerdings haben die Eltern schon in Syrien meist den bildungsfernen und finanzschwachen Schichten angehört. Sie sind auch im Arabischen Analphabeten und können ihre Kinder dadurch höchstens darauf vorbereiten, später mit auf dem Feld zu arbeiten; Vorbereitungskurse, damit die Kinder den obligatorischen schulischen Eignungstest bestehen, bieten höchstens Freiwillige an. Wenige Camps haben selbst organisiert Schulen organisiert, damit den Kindern wenigstens auf Arabisch etwas vermittelt wird.
Wie ihre Zukunft hier in der Türkei aussehen wird, lässt sich leicht ausrechnen. Sofern es eine gibt – und das muss auch leider in dieser Form so hart gesagt werden: Gerade bei den Kleinkindern gehören Unterernährung, Krankheiten und eine daraus resultierende mangelhafte Entwicklung, kombiniert mit den schlimmen hygienischen Zuständen, zum Standard. Einigen wird nicht mehr zu helfen sein.
Dort, wo es möglich ist, kümmert sich die Refugees Foundation. Gerade jetzt in unserer Schlussphase hier in der Türkei, in der wir einige Menschen kennengelernt haben, stehen auch immer wieder Krankenhaus-Besuche an (im Warteraum entstehen auch diese Zeilen). Inzwischen steuern wir eine Privatklinik in Torbali an, da wir im öffentlichen Krankenhaus hier keine Chance haben. Abgewürgt mit Vitamin-Getränken und harschen Worten, die wir nicht verstehen, wird eine Behandlung der Menschen faktisch verweigert. Weil das den Menschen hier immer wieder passiert, versuchen sie es inzwischen gar nicht mehr.
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